Solar: Viernheim auf der Schattenseite

Der Solarausbau boomt gerade mächtig in Deutschland. Neben Kleinstanlagen wie Balkonanlagen mit bis zu 800VA stehen auch große Frei- und Dachflächenanlagen mit 8 MWh auf dem Plan. So auch in Viernheim. Das RNZ erweitert seine Dach-PV-Anlage, die Stadtwerke planen im zweiten Anlauf eine Freiflächen-PV-Anlage auf bisherigen Ackerflächen, dito private Eigentümer im gleichen Areal.

Nach langer Zeit, gefühlt seit gut 20 Jahren?, des Stillstands tut sich also endlich etwas. Die PV-Technik (Strom aus Sonnenlicht) hat es verdient. Sie ist bewährt, hat einen Wirkungsgrad von bis zu 23 Prozent erreicht (bei physikalisch maximalen Wirkungsgrad von unter 40%) und ist außerordentlich preiswert geworden. Umweltfreundlich ist sie ohnehin. Steckerfertige Module für Balkon. Gartenhäuschen oder Pergola sind in Baumärkten frei verfügbar. Das freut die Heimwerker unter uns. Denn vorbei sind die Zeiten mit viel Bürokratie und Abnahme durch Fachleute.

Inzwischen sind erneuerbare Energien die wichtigsten Energieträger in Deutschland, haben Kohlestrom und Atomenergie überflügelt. Nur in Viernheim nicht. Auf den Stromabrechnungen der Stadtwerke für Privatkunden findet sich eine Grafik zum Strommix der Viernheimer Stadtwerke. Danach liegt der Kohlestromanteil bei 51.2%. Für eine ehemalige Brundtlandstadt indiskutabel und blamabel, weil sehr weit entfernt vom Ziel baldmöglichst CO2-neutral zu sein.

Die Stadtwerkeleitung, folgt man veröffentlichten Interviews, setzt auf Zeit und wartet ab. Nur worauf? Innovation geht anders. Ausbau der Fernwärme und kollektiver Versorgungssysteme zur Kraftwärmekopplung (BHKW, Wirkungsgrade über 90%), Unterstützung jeder PV-Anlage, weil in der Summe machen auch diese viel Strom, eine lokale Bürgerenergiegenossenschaft gründen, um privates Kapitel für Investitionen zu gewinnen, den eigenen Strom aus erneuerbaren Technologien auch für den Eigenverbrauch Viernheims einzusetzen anstatt gewinnorientiert an der Strombörse zu veräußern, sich Umweltstandards zu verpflichten, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Dazu ein Beispiel: Im ersten Anlauf planten die Stadtwerke ihre große Freiflächen-PV-Anlage just auf einer naturrechtlich streng geschützten Flächen und kassierten das Veto der unteren Naturschutzbehörde. Peinlich für die Planer, denen offensichtlich Naturschutz als Hemmnis und Fremdwort erscheint. Im zweiten Anlauf wird nun guter Ackerboden überplant und dieser der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Das ist der vermeidbare Interessenkonflikt. Es sei denn, man ständert ordentlich auf und könnte dann darunter Pflanzen für Biomasse-Nutzung oder eben Getreide weiterhin anbauen. Bisher schweigen sich die Stadtwerke zu dieser Option aus. Und Viernheim hat massig Dachflächen, auch größere auf Gewerbehallen (RNZ, Immobilien der Gutperle GmbH, Turnhallen etc.), die für größere PV-Anlagen in Betracht kommen. Warum denn in die Ferne (Äcker) schweifen, wenn das Gute (Dächer) liegt so nah?

Und Kleinvieh macht auch Mist. Auch hierzu ein eigenes Beispiel. Unser Stromverbrauch im Reihenendhaus lag 2023 bei ca. 2500 kWh. Unsere kleine Balkonanlage für knapp 600 Euro hat innerhalb eines Jahres ca. 700kWh erzeugt. Mithin ca. 28% des benötigten Stroms (abzüglich geringer Abgaben an das Stromnetz). Dies entspricht umgerechnet ca. 260 Euro gesparter Stromkosten. Sie rechnet sich also für Umwelt, Geldbeutel und guten Gefühl wegen des eigenen Beitrags zur lokalen Energiewende. Der Beitrag der Stadtwerke dazu: 0,0. Es bedurfte einer Bürgerinitiative, um diese Technologien in Viernheim mit Erfolg zu platzieren. Es gilt der bekannte Satz auch für die Stadtwerke: Wer zu spät kommt, dem bestraft die Geschichte.

Gut so, weiter so. Es macht als Bürger keinen Sinn auf andere oder die eigenen Stadtwerke zu warten, wenn man selbst einen Beitrag zur Innovation mittels erneuerbarer Energien leisten kann. Klimaschutz liegt auch in der eigenen, privaten Verantwortung. Diese Verantwortung kann die Stadt von ihren Bürger*innen, denn diese sind ja eigentlich die Stadt, auch durchaus einfordern. Besser wäre es natürlich, zugleich auch mit gutem Beispiel im eigenen Gebäudebestand voranzugehen.

BUND Viernheim und Bürger-Initiativ laden zu einer gemeinsamen Informations- und Diskussionsveranstaltung am Donnerstag, den 28.5. um 19h in der Kulturscheune ein zum Thema „PV-Anlagen auf dem Dach“. Gäste, auch von den Stadtwerken, sind immer willkommen. Die Veranstaltung ist offen und frei. Wir freuen usn über jeden Beitrag, Frage und Erfahrungsbericht.

 

Hon.-Prof. Dr. Uwe Pfenning, Viernheimer