Nach Bildungsplanung nun Bildungsbeirat: Nur ein neues Etikett oder neue Ideen für die Bildung?

 

Viernheim bekommt jetzt einen Bildungsbeirat. Klingt gut und es dürfte allen klar sein, dass im Bereich Bildung vieles im Argen liegt. Es ist also gut, wenn da mehr getan werden soll. Das Projekt ist von langer Hand vorbereitet: seit 2022 schon gibt es einen kommissarischen Bildungsbeirat, im Dezember 2023 hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, wie der Beirat gebildet werden soll und am 17. Juni 2024 geht es dann schon los.

 

Inhaltlich ähnelt alles ein wenig der im Dezember 2020 verkündeten „Bildungsplanung“. Mit der Bildungsplanung wollte man damals die Akteure im Bildungsbereich zusammenzubringen, sich austauschen, vernetzen, gemeinsam planen, Strukturen schaffen. Jetzt, im Jahr 2024 will man all das mit dem Bildungsbeirat. Gut, dann halt als Bildungsbeirat. Aber vielleicht sollte man nicht über Bildung reden und Bildung planen, sondern auch mal damit anfangen?

 

Wir machen in Viernheim seit vielen Jahren einiges in Sachen Bildung. Die Schulen und Institutionen treffen sich und tauschen sich aus, das Lernmobil und andere Einrichtungen bieten seit vielen Jahren Nachhilfe, Sprachkurse und weitere Angebote und Kurse, es gibt die VHS mit umfassendem Programm und vieles mehr. Das alles ist super. Ein tolles Angebot. Die Frage ist: Kommt am Ende auch das heraus, was wir brauchen? Wenn alles super wäre, bräuchten wir vermutlich keinen Bildungsbeirat mehr, oder?

 

Wie schaut es denn in Viernheim aus mit den Kindern, die aus der Grundschule kommen und nicht lesen können? Sind es in Viernheim wie in ganz Deutschland auch 25 Prozent? Oder sind wir besser? Oder gar schlechter? Warum brauchen wir überhaupt Nachilfeeinrichtungen? Wäre es nicht besser, die Schulen machen ihren Job so gut, dass wir keine Nachhilfe mehr brauchen? So wie in anderen Ländern? Was wäre, wenn das Lernmobil oder andere nicht Reparaturbetrieb für die Schulen wären, sondern sich um ganz andere Themen kümmern könnten? Zum Beispiel solche, die vielleicht keinen Platz mehr in der Schule finden?

 

Was wissen wir über die Leistungen des bestehenden Systems? Kindergärten klagen, dass manche Kinder nicht einmal einen Stift halten oder eine Schere bedienen können. Grundschulen klagen, dass die Kinder die Sprache nicht richtig sprechen und sie das erst mal aufholen müssen. Weiterführende Schulen klagen, dass die Kinder nicht richtig schreiben können. Hochschulen und die Verantwortlichen für die Berufsbildung klagen, dass die jungen Erwachsenen nicht rechnen können, keinen Dreisatz, keine Rechtschreibung. Etc. Wissenschaftliche Studien unterstreichen das. Bei jeder neuen Pisastudie gibt es den nächsten Pisaschock. Die Lehrer beklagen den fehlenden Respekt, Schüler beklagen Mobbing und vieles mehr.

 

Und: Wie ist es um die digitale Bildung bestellt? Finanzielle Bildung? Selbstlernen? Programmieren und Künstliche Intelligenz? Projektmanagement? Nachhaltigkeit? Zeitmanagement? Verkaufen und Verhandeln? Selbstmotivation und Resilienz? Oder Kochen, Backen, im Wald überleben, die Steuererklärung und andere lebenspraktische Sachen?

 

Studien haben festgestellt, dass 70 Prozent der heutigen Grundschüler später einmal in Berufsfeldern arbeiten werden, die es heute noch nicht gibt. Wie kann man Kinder und Jugendliche von heute, in Schulen von gestern, mit Lehrern von vorgestern und Methoden aus dem Mittelalter auf die Probleme von morgen und übermorgen vorbereiten? Die Kinder und Jugendlichen sehen es selbst auch so. 70 Prozent sagen, dass sie nicht so gut oder gar nicht gut auf einen Job vorbereitet werden.

 

Es ist gut, dass Viernheim da selbst etwas tun will und es wird spannend sein, welche Lösungen der Bildungsbeirat auf alle diese Dinge für Viernheim liefern wird. Zeit zur Vorbereitung war ja genug. Und die Zeit drängt für die aktuelle Schülergeneration!

 

Wolfram Theymann

https://lust-auf-viernheim.de