„Insofern erfahrene Fachkraft“ des Jugendamtes für Schulen ging 2024 im Kreis Bergstraße 75 Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung nach

Kreis Bergstraße (kb)- Durch den Auf- und Ausbau schulischer Betreuungsangebote verbringen Kinder heute einen immer größeren Teil ihres Tages in der Schule. Diese ist daher nicht mehr nur ein Lernort, sondern wird zunehmend zu einem festen Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Lehrerinnen und Lehrer sind häufig die Ersten, die erkennen, dass etwas nicht stimmt. Wenn sich junge Menschen plötzlich zurückziehen, auffällig müde oder aufgekratzt sind, häufig dem Unterricht fernbleiben oder Verletzungen erkennbar sind, können das Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls sein.

 

Vernachlässigt, psychisch oder körperlich misshandelt oder sexueller Gewalt ausgesetzt – Kindeswohlgefährdung kann viele Formen haben, die nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen sind. Hier wird oft die Expertise von Fachkräften benötigt. Zu den originären Aufgaben des Jugendamtes auch im Kreis Bergstraße zählt daher die Sicherstellung eines wirksamen Kinderschutzes. Dieses sogenannte staatliche Wächteramt bedeutet, dass Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl geschützt werden müssen. Zu dieser Aufgabe zählt auch die Beratung von Berufsgruppen, die im beruflichen Kontext mit jungen Menschen zusammentreffen. Diese Beratungen unterstützen beim Erkennen von Gefährdungsmerkmalen.

 

„Wir arbeiten nach dem Prinzip „Erkennen, Wahrnehmen und Handeln“. Die erste Hürde ist das Erkennen“, erklärt Kai Kuhnert, Leiter des Jugendamts in Heppenheim.  Damit dies auch in Schulen gut gelingt, stellt das Jugendamt des Kreises Bergstraße seit 2019 eine eigens für die Schulen im Landkreis zuständige „Insofern erfahrene Fachkraft“ (IseF-Schule) zur Verfügung: Hedy Fraas.

 

Lehrer, Lehrerinnen und andere an Schulen Beschäftigte, die Anzeichen für eine mögliche Kindeswohlgefährdung sehen, sich aber dessen nicht sicher sind, haben in Hedy Fraas eine hochkompetente Ansprechpartnerin. Die Fachkraft kann zur Beratung und Klärung hinzugezogen werden, sie unterstützt bei der Einschätzung der Situation und gibt Handlungsempfehlungen. Die Beratungen folgen immer einem vom Staatlichen Schulamt und Jugendamt gemeinsam entwickelten Leitfaden, es werden keine Namen genannt, die jungen Menschen bleiben anonym.

 

Ergibt die IseF-Beratung, dass eine Gefährdung vorliegt, zeigt die jeweils zuständige Schulleitung den Fall beim Jugendamt an und ein standardisierter Ablauf wird in Gang gesetzt. „Kinder und Jugendliche müssen bei ersten Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung Hilfe und Unterstützung erhalten. Je früher wir vom Jugendamt informiert sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung abwenden zu können“, stellt der Jugendamtsleiter Kai Kuhnert fest. 

 

Im Jahr 2024 wurde die Insofern erfahrene Fachkraft in 75 Verdachtsfällen dazu geholt.  Der Verdacht auf Vernachlässigung wurde in rund 76 Prozent der Fälle bestätigt. Misshandlungen wurden in 23 Prozent erkannt. In 24 der anonymen Beratungen wurde ein Hilfebedarf ohne Gefährdung erkannt.

 

Besonders die Anfragen aus Grundschulen sind gestiegen. Von 41 Anfragen im Jahr 2023 stieg die Zahl 2024 auf 49. In der Hauptschule sank die Anzahl von 15 auf 13 in 2024. Auch in der Realschule ist ein Rückgang von 10 auf 7 Anfragen zu verzeichnen. Seit 2023 sind mehr als die Hälfte der Fälle Beratungen für männliche Kinder und Jugendliche. In den Jahren 2020 bis 2022 wurden überwiegend weibliche junge Menschen beraten. Im Jahr 2024 hatten 56 Prozent der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund.

 

„Die Sicherstellung des Kindeswohls in der Schule wird durch die enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Institutionen und den Netzwerkpartnern sichergestellt. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten für ihr Engagement zum Wohle der Schülerinnen und Schüler bedanken“, so die Erste Kreisbeigeordnete und für das Thema zuständige Dezernentin Angelika Beckenbach

 

In der Zeit von 2020 bis 2024 wurden Schulen insgesamt in 338 Fällen von der Fachkraft bei der Gefahreneinschätzung unterstützt. Um Schulen zu einem sichereren Ort für Schülerinnen und Schüler zu machen, sind diese in Hessen seit Ende 2022 verpflichtet, Schutzkonzepte gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch zu entwickeln. Diese Schutzkonzepte beinhalten unter anderem Notfall- und Interventionspläne, Beschwerdewege, Fortbildungen und einen Verhaltenskodex für Lehrkräfte.

 

Unterstützt und ergänzt wird die Arbeit des Jugendamtes und die der Schulen und Lehrkräfte durch das niederschwellige Beratungsangebot der Schulpsychologie des Staatlichen Schulamtes in Heppenheim. Der Auftrag der Schulpsychologie ist ähnlich der Aufgabe der IseF.  Er ist jedoch erweitert, beispielsweise um die Begleitung bei der Erstellung des Schutzkonzeptes, um die Teilnahme an unterstützenden Elterngesprächen bei Familienkrisen und Erziehungsfragen oder Einzelgesprächen mit Kindern und Jugendlichen, wenn diese gezielt nach Rat bei der Schulpsychologie suchen. Jugendamtsleiter Kai Kuhnert und Schulamtsleiterin Susann Hertz sind sich einig: „Kinderschutz gelingt am besten, wenn alle, also Fachkräfte und Eltern, vertrauensvoll und auf Augenhöhe zusammenwirken.“