3. Waldrundgang der Projektgruppe sammelt Fragen der Teilnehmer:innen zum Thema Hemsbacher Wald – Große Bäume – ein Zeichen für alten oder jungen Wald?

Foto: Stadt Hemsbach

Hemsbach (Stadt Hemsbach) – Wer vom Waldparkplatz in Nächstenbach auf den Hemsbacher Wald zugeht, wird sich über einige schöne groß gewachsene Bäume freuen können. Viele sind hoch und dünn. Wie alt mögen diese sein? Wie alt kann eine Buche oder Eiche eigentlich werden?

Plötzlich entdecken die Waldbesucher am Wegesrand eine majestätisch wirkende Buche, deutlich höher gewachsen und mit viel dickerem Stammumfang als alle anderen. Kein Wunder, dass dieser Baum von jemandem als Kulturdenkmal gezeichnet wurde. Wie Pilze, die nach einem Regenguss aus dem Boden wachsen, ergeben sich nun die Fragen: Wie alt mag diese Buche sein? Dürfte wenigstens diese Buche ihr natürliches Alter von 500 Jahren erreichen? Wie viele solch mächtiger Bäumer gibt es noch im Hemsbacher Forst?

Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass dieser Baum ‚nur‘ ca. 150-170 Jahre alt ist und damit erst ein Drittel seiner möglichen Lebensspanne erreicht hat. Der Waldbesucher hat also selbst bei ‚dicken‘ Bäumen nur Jugendliche bis junge Erwachsene vor sich – und hält sie für alt, weil es wirklich alte Bäume zum Vergleich nicht mehr gibt. Eichen könnten bis zu 800 Jahren werden und werden mit ca. 180 Jahren genutzt, Buchen werden mit ca. 130 Jahren geschlagen, könnten bis zu 500 Jahre alt werden. Der Waldbesucher kennt also im Wesentlichen nur Bäume, die ihre sog. Umtriebszeit (das ist das Alter, das er zum Zeitpunkt seiner Nutzung hat) noch nicht erreicht haben und daher noch stehen. Die wenigen mächtigeren Exemplare sind Ausnahmen, z.B. weil sie als Habitatsbäume geschützt oder aufgrund ihres Wuchses wirtschaftlich uninteressant sind.

Das führte zu den nächsten Fragen, die auch landesweit ein ‚dickes Brett‘ darstellen: das Thema Wald bzw. Holz als CO2-Speicher und ‚nachhaltiger‘ Baustoff oder Brennstoff. Wenn ein Baum nur grob 20% seiner Lebensspanne leben darf und dann schon genutzt wird, wie weit gehen dann Theorie und Praxis beim Thema CO2-Speicherung aktuell auseinander? Wie könnte man das natürliche Angebot zur CO2-Senke besser ausschöpfen? Und würde der Baum mit steigendem Alter nicht auch wirtschaftlich noch attraktiver? Was bedeutet der aktuelle Rohstoffhunger, wenn er die Wälder noch intensiver erfasst? Ist Holz dann so ‚nachhaltig‘ wie Palmöl: zwar massemäßig nachwachsend, aber keinesfalls ökologisch, weil in einem Jahr verbrannt wird, was nur über Jahrzehnte bis Jahrhunderte wächst? Wie könnte unser Wald aussehen, wenn er wenigstens in Teilen, z.B. in den vorgeschlagenen kleinen Refugien, wachsen dürfte, wie er wollte? Was könnten wir davon für Klimaschutz und mehr naturnahe Bewirtschaftung lernen?

Deutsche Forstwissenschaftler haben dazu unterschiedliche Antworten – je nach Institut oder Behörde, die man anspricht. Daher nahm die Projektgruppe diese Fragen in die Sammlung zur künftigen Faktenklärung auf.

Eine einfache Rechenaufgabe zum CO2-Speicher

Letztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) entschieden, dass die beschlossenen CO2-Einsparungen „sofort“ (und nicht erst ab dem Jahr 2030) zu erfolgen haben und das aktuelle Handeln „nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen“ gehen darf. Das Ökosystem Wald ist ein großer CO2 Speicher. Aufgabe: Wenn alle Bäume im Hemsbacher Forst 100 Jahre alt wären – wie viel Prozent dürften dann jährlich dem Wald entnommen werden, damit der CO2-Speicher stabil bleibt? Was sieht der Hemsbacher 10-Jahres-Waldbewirtschaftungsplan in diesem Punkt vor? Passt er mit dem Urteil des BVG zusammen?

 

Weitere dringliche Fragen

Die Gruppe war beim Anblick eines Areals, wo Bäume gefällt worden waren, interessiert an Auswirkungen der aktuellen Waldbewirtschaftung: Welche langfristigen Folgen hat die Verdichtung in den Rückegassen für den Waldboden? Wer legt fest, was unter „naturnah“ zu verstehen wäre? Führt eine intensivere Sonneneinwirkung, die sich durch die Baumentnahme ergibt, zu einer schnelleren Austrocknung des Waldbodens und in Folge zu einer Schädigung der verbleibenden Bäume? Was ist beim Thema zunehmende Trockenheit der Waldböden auf die Bewirtschaftung oder Wahl der Baumarten zurückzuführen, was lässt sich von Hemsbach aus nicht beeinflussen? Was ist hier Henne, was ist Ei? Welchen Einfluss hätte es auf die Hemsbacher Waldbewirtschaftung, wenn ökologische Gesichtspunkte stärker berücksichtigt würden („Ökonomie durch Ökologie“)? Welche Wirkung hätte es auf den Artenschutz? Welche Möglichkeiten gäbe es, im Wegebau Kosten zu sparen? Was passiert mit den Vorschlägen des Forsts zur Einrichtung von Waldrefugien? – Die Wanderung war kurz – die Fragenliste war es nicht.

 

Unerwartetes Highlight

Die engagierten Gespräche ließen die Zeit so schnell verrinnen, dass die Gruppe den Rückweg abkürzte – und sich unerwartet am Rande einer natürlichen Buchenwaldverjüngung befand: ohne Zaun, ohne Pflanzung und ohne Plastikrohrschutz an den Stämmchen. Offensichtlich kann der Wald auch alleine für eigenen Nachwuchs sorgen, so die Erkenntnis der Wanderer. Welche Bedingungen braucht es, damit das gelingt? Auch diese Frage kam in den symbolischen Pilze-Fragen-Korb.

Fragen für den Dialogprozess 2022

Diese und andere Fragen bereitet die Projektgruppe „Zukunftsfähiger Wald“ auf und beschäftigt sich mit ihnen bei ihren Projektgruppentreffen. Die offenen Fragen speist sie in den anstehenden Dialogprozess „Update Waldstrategie“ ein, in dem 2022 möglichst viele der offenen Fragen öffentlich und transparent geklärt werden sollen.

Nächstes reguläres Projektgruppentreffen am 02.03.2022, 18:30 Uhr

Die Projektgruppe „Zukunftsfähiger Wald“ der Hemsbacher Stadtgestalterei (PG Wald) trifft sich regelmäßig jeden 1. Mittwoch im Monat von 18:30 bis max. 20:30 Uhr.

Das nächste Mal am 2.3. trifft sie sich im Gemeindesaal des Bonhoeffer-Zentrums, Liegnitzer Straße 10 (Ecke Gleiwitzer Straße).

Gäste, die einmal in die Projektgruppe hineinschnuppern wollen, oder neue Mitmacher:innen sind immer herzlich willkommen!

Wegen besserer Planbarkeit bitte anmelden unter folgender Mail: PG_Hemsbacher_Wald@yahoo.com.