Es duftet nach Wald und Wiese
Landrat Christian Engelhardt geht mit Mitgliedern des Bergsträßer Nachhaltigkeitsbeirats auf Nachhaltigkeitstour durch den Kreis Bergstraße
Kreis Bergstraße (kb) – Bei der 27. Weltklimakonferenz, die vor Kurzem in Ägypten stattfand, sprachen die Teilnehmenden darüber, wie der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann. Aber was bedeutet das konkret für Menschen und Unternehmen vor Ort – zum Beispiel im Kreis Bergstraße? Während seiner diesjährigen Nachhaltigkeitstour mit Mitgliedern des Bergsträßer Nachhaltigkeitsbeirats machte sich Landrat Christian Engelhardt unter anderem ein Bild davon, wie Unternehmen ihre Produktion nachhaltiger gestalten können, um so Kohlenstoffdioxid einzusparen. „Damit wir uns selbst nicht unserer Lebensgrundlage berauben, ist es essentiell, dass wir den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 1,5 Grad beschränken. Die Devise dabei ist, global zu denken, aber lokal zu handeln. Denn: nur wenn wir alle Kohlenstoffdioxid einsparen – und das in allen Bereichen – können wir dem Klimawandel entgegenwirken. Jeder Beitrag ist dabei wichtig“, betonte Engelhardt.
Wie Unternehmen ihren CO2-Ausstoß reduzieren und Ressourcen nachhaltig einsetzen können, schauten sich der Bergsträßer Landrat und die Nachhaltigkeitsbeiratsmitglieder exemplarisch bei der Cortec GmbH in Wahlen an.
Das Odenwälder Unternehmen produziert ganz besondere Kleiderbügel: Sie bestehen zu etwa zwei Dritteln aus recyceltem Plastik und zu etwa einem Drittel aus Gras- oder recycelten Textilfasern. Die verwendeten Rohstoffe bezieht die Cortec dabei möglichst regional. So kommen beispielsweise alte, bereits benutzte Kleiderbügel wieder zurück. „Wir überprüfen alle Rückläufer, ob sie beschädigt sind, oder ob sie weitergenutzt werden können. Denn jeder wiederverwendete Kleiderbügel schont Ressourcen, spart Energie und somit auch CO2-Emissionen“, betonte Geschäftsführer Torsten Schmitt. Nur kaputte Bügel werden zerkleinert und zu Granulat weiterverarbeitet. Im nächsten Schritt wird das Granulat dann noch mit Grasfasern im Verhältnis 70/30 oder 60/40 vermischt – auch diese kommen aus der Region, von der rund 50 Kilometer entfernten Firma Biowert. Auf der Basis dieser Rohstoffe stellt Cortec neue Kleiderbügel her. Durch den Einsatz des recycelten Plastiks und der Grasfasern werden bei der Herstellung eines Kleiderbügels von Cortec rund 60 Prozent weniger CO2 ausgestoßen als bei einem herkömmlichen Produkt. „Ich bin beeindruckt von dem nachhaltigen Wertstoffkreislauf, den Sie hier aufgebaut haben sowie dem innovativen Einsatz biologischer Materialien. Sie zeigen eindrücklich, wie modernste Technik für Klimaschutz und Nachhaltigkeit genutzt werden kann“, hob Engelhardt hervor.
Während der diesjährigen Nachhaltigkeitstour informierte sich der Landrat zudem bei einem Treffen mit Ronny Kolb, dem Leiter des Forstamts Beerfelden, und Förster Stefan Aßmann über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bergsträßer Wälder. Die größte Herausforderung sei dabei aktuell der Wassermangel. „Die Natur leidet unter dem fehlenden Regen und den heißen Sommern der vergangenen Jahre. Die Niederschläge des Jahres 2022 während der Vegetationszeit haben in etwa denen in Sevilla entsprochen – auf solche Klimaextreme ist unser Wald nicht eingestellt“, erklärte Kolb. 2018 und 2022 gab es während der Baumwachstumsphase, die sich von März bis September erstreckt, nahezu keinen Regen. Das sei Herausforderung und Chance zugleich. „Wir hoffen, dass sich die natürlich ansamenden jungen Bäume an das wenige Wasser gewöhnen können und es somit zu einer Adaption an diese neuen Umweltbedingungen kommt“, so Kolb weiter. Ob das jedoch gelingt, werde sich erst in den kommenden Jahrzehnten zeigen. Damit unsere Wälder im Klimawandel bestehen können setzt das Forstamt Beerfelden auf zwei Maßnahmen: Naturverjüngung und Baumartenwechsel, wo nötig. Ziel ist es dabei, Wälder mit vier oder fünf unterschiedlichen Baumarten zu entwickeln, da diese deutlich widerstandsfähiger sind als Wälder, die nur mit einer Baumart bestockt sind. Dabei achten die Waldexperten darauf, dass neue Baumarten, die in Deutschland noch nicht heimisch sind, nur in begrenztem Maß und wohl akzentuiert eingebracht werden, um das bestehende Ökosystem nicht zu verändern oder negativ zu beeinflussen.
Ein dritter Aspekt, mit dem das Forstamt für gesunde Wälder sorgt, ist das Borkenkäfer-Monitoring. Als eine Art „natürliches Frühwarnsystem“ dient dabei der Specht. Er schlägt Stücke der Rinde ab, um an die Käferlarven der Borkenkäfer zu kommen. Die Förster sehen die Specht-Abschläge und können die entsprechenden Bäume dann weiter beobachten oder entnehmen. Dabei kommt seit knapp drei Jahren auch digitale Technik zum Einsatz: Die Revierförster nehmen im Wald über eine „Waldschadens-App“ die mit Borkenkäfer befallenen Bäumen auf. Die Daten werden dann automatisiert in ein digitales Dashboard eingespielt. „So erhalten wir innerhalb von 24 Stunden einen brandaktuellen Überblick über den Zustand des Borkenkäferbefalls in unseren Wäldern und können somit bedarfsgerecht Arbeitseinsätze planen und koordinieren. Mit diesem Verfahren konnten bisher größere Schäden durch Borkenkäferbefall im Überwald vermieden werden.“, so Ronny Kolb.