Leserbrief von Daniela Pfister
Viernheim – Platz für alle oder doch nur für einige?
Seit kurzem hat die Stadt Viernheim damit begonnen, ihr ehrgeiziges Projekt “Alle brauchen Platz” in die Tat umzusetzen – eine Nachbarschaft, eine Straße nach der anderen wird von Parkverbotsschildern in fußgängerfreundliche Park-Albträume umgewandelt.
Das Ziel des Projektes, durch eine aggressive Reduzierung der Parkflächen mehr Gehwegfläche zu schaffen, ist ein lobenswertes Konzept, zumindest auf Papier. Im echten Leben jedoch schaffen Tatsachen Hindernisse, deren Beseitigung nicht am Zeichenbrett erfolgen kann. Hier sind Ideen, flexible Ansätze und Kompromissbereitschaft gefragt.
Was von vielen Bürgern beanstandet wird, ist nicht nur der Mangel an Flexibilität die neuen Regeln den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, sondern auch die Art und Weise, wie der Plan entstand und nun auf Biegen und Brechen durchgesetzt wird, und das ohne Bürgerbeteiligung. Eine Einbindung der Anwohner in die Planung eines Vorhabens dieser Bandbreite sollte immer gegeben sein. Wie bei allen Dingen im Leben, heiligt der Zweck nämlich nicht immer die Mittel und eine Konzept kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn alle möglichen Szenarien und Auswirkungen – positiv oder negativ – in Zusammenarbeit mit den betroffenen Bürgern durchgespielt werden. Lösungsansätze sollten bestehen BEVOR es zu Problemen kommt.
Leider hat die Stadt Viernheim mit ihrem aggressiven Vorgehen das Gegenteil von dem erreicht, was als wünschenswert für “Alle” bezeichnet werden kann. Betrachten wir in diesem Zusammenhang die Probleme, die durch die neue Parkregelung nun in der Waldstraße entstanden sind. Die Straße, repräsentativ für viele Straßen in Viernheim, ist ein Mix von Berufstätigen, Rentnern, Familien mit Kindern, Gastronomie und Singles. Die Straße ist mit Viernheim gewachsen und wurde zu einer Zeit gebaut, in der es die heutigen Vorgaben der Straßenverkehrsordnung (1,30 m Gehwegbreite auf beiden Seiten zuzüglich 3,50 m freizuhaltender Fahrbahnbreite) noch nicht gab. Hierbei ist als relevante Randnotiz festzuhalten, dass es sich bei den vorgenannten Dimensionen um Werte handelt, die im Ermessensspielraum der Stadt Viernheim liegen und dem wahren Leben angepasst werden könnten, wenn der Wille dafür da wäre. Dieser Wille muss jedoch in Frage gestellt werden, wenn die Stadt ihre Parkverbotsschilder auf die Gehwege stellt und damit deren nutzbare Breite auf UNTER 1,30 m reduziert! So geschehen in der Waldstraße.
Nun zu den Auswirkungen und Problemen, die Viernheims neue ‘Parkregelung vom Grünen Tisch’ im wirklichen Leben geschaffen hat.
Senioren, von denen manche nicht mehr sehr gut zu Fuß sind und die darauf angewiesen sind, vor der Haustüre parken zu können, um ihre Lebensmitteleinkäufe ins Haus zu tragen, sind nun gezwungen, bis zu zwei oder mehr Straßen weit weg zu parken. Wie diese Menschen ihre Einkäufe nun nach Hause bekommen, ist ihr Problem.
Eine Frau, die Schicht arbeitet und häufig erst nach Mitternacht nach Hause kommt, muss nun mitten in der Nacht durch das nicht mehr ganz so sichere Viernheim laufen, um zu ihrer Wohnung zu kommen weil im Umkreis von mehreren hundert Metern kein Parkplatz mehr zu finden ist. Ich verweise hier auf eine Vergewaltigung, die vor nicht allzu langer Zeit in unmittelbarer Nähe geschah!
Kindern gehen die Innenhöfe als Spielraum verloren, weil die Eltern für den Familien-Minivan nun keinen Parkplatz mehr finden und dafür den Innenhof, und sicheren Spielplatz der Kinder, nutzen müssen.
Anwohner der Waldstraße, die keine Garage haben, haben begonnen, ihre Terminplanung – und ihr Leben – der Parksituation anzupassen, denn wer nach 15:30 Uhr einen Parkplatz sucht, hat fast keine Chance einen zu finden.
Immer mehr Nachbarn geraten in Streitereien, sei es weil jemand mit Garage trotz allem auf der Straße parkt oder weil vielleicht jemand durch Unachtsamkeit oder Ignoranz zwei Parkplätze anstelle von nur einem in Anspruch nimmt.
Falls dann doch einmal ein Auto falsch parkt, meistens Fahrer von außerhalb, kommt es am frühen Morgen zu Hupkonzerten der Müllabfuhr. Das weckt dann die ganzen Bewohner der Straße, auch wenn die Frau die Nachtschicht hatte lieber schlafen würde.
Ganz besonders ist das Restaurant ‘Götz und Baum’ von der neuen Parkregelung betroffen. Eines der besten Restaurants Viernheims und eine Quelle nennenswerter Steuereinnahmen für die Stadt, muss nun mit erheblichen Umsatzeinbußen rechnen, weil die Gäste weit und breit keinen Parkplatz finden. Auch hier handelt es sich oft um Menschen, die vielleicht nicht mehr so gut zu Fuss sind und dann lieber in ein Restaurant gehen, das ihnen Parkplätze zur Verfügung stellen kann.
Das sind nur einige der Probleme, die durch die Einführung der neuen Parkregelung durch die Stadt Viernheim bislang aufgetreten sind. Nachbarn, die sich streiten, ältere Bürger, die Schwierigkeiten haben, längere Fußwege zurückzulegen, Kinder, denen der Spielraum genommen wird, Kleinunternehmern, denen die Kundenbasis verloren geht. Und warum das alles, wofür?
Damit man sich damit brüsten kann, eine fußgängerfreundliche Stadt geschaffen zu haben. Aber Fussgänger alleine allein halten keine Stadt am Leben. Dafür braucht es tatsächlich ALLE Bürger. Dass bei dieser ganzen Aktion aber die Mehrheit der Menschen mit ihren Anliegen und Bedürfnissen auf der Strecke bleibt, ist der Stadt wohl ziemlich egal. War doch die Antwort eines Verantwortlichen bei einer Bürgerversammlung vor einiger Zeit auf die Frage: “Und wo sollen die Leute ihre Autos dann parken?“ einfach und simpel: “Das ist nicht mein Problem!” Und hierin, in dieser ignoranten Aussage, liegt das eigentliche Problem, denn ginge es bei diesem Projekt tatsächlich um “ALLE”, dann hätte man auch die Autofahrer in die Planung mit einbeziehen müssen.
Tatsache ist und bleibt, dass das ‘geduldete Gehwegparken’ in der Waldstraße nie ein Problem war. Müllautos und Lieferanten hatten genug Platz, Anwohner ohne Garage fanden in den meisten Fällen einen Parkplatz in der Nähe ihrer Wohnung, und Menschen mit Rollatoren oder Rollstühlen und Mütter mit Kinderwagen hatten in der Regel keine Probleme, die Gehwege zu navigieren. Die wirklichen Probleme hat die Stadt durch ihre ‘Vorschlaghammer Politik’ nun selbst verursacht. Anstelle des Slogans ‘Alle brauchen Platz’, sollte es heissen: ‘Viernheims Prestige Projekt gegen den gesunden Menschenverstand’.
Den vielen betroffenen Bürgern bleibt lediglich die Hoffnung, dass es in der Stadtverwaltung noch Menschen gibt, denen tatsächlich die Anliegen ALLER Bürger am Herzen liegen, denn Wahlen werden von Mehrheiten entschieden, und das Projekt ‘Alle brauchen Platz’ bedient nicht die Mehrheit der Bürger Viernheims.
Daniela Pfister
Waldstraße Viernheim