Staatssekretär Michael Ruhl übergibt Förderbescheide an vier hessische Kommunen

v. l.) Oberbürgermeister und Verbandsvorsitzender Manuel Just (Weinheim), Bürgermeister und stellv. Verbandsvorsitzender Benjamin Köpfle (Laudenbach), Bürgermeister und stellv. Verbandsvorsitzender Matthias Baaß (Viernheim), Staatssekretär Michael Ruhl, Erste Stadträtin Christine Bender (Heppenheim), Bürgermeister Frank Kohl (Gorxheimertal) und Erster Beigeordneter Wolfgang Grün (Birkenau).
Foto: Stadt Viernheim
Foto: Abwasserverband Bergstraße

Viernheim (Stadt Viernheim) – Die Kläranlage des Abwasserverbandes Bergstraße in Weinheim wird um eine vierte Reinigungsstufe erweitert, um Spurenstoffe effektiver aus dem Abwasser zu entfernen. Nachdem bereits seit 2022 eine Förderzusage von 3,7 Millionen Euro durch das Land Baden-Württemberg für die baden-württembergischen Mitgliedskommunen vorlag, konnten sich die Vertreter der hessischen Städte und Gemeinden nun ebenfalls über eine Förderung in Höhe von insgesamt 5 Millionen Euro durch das Land Hessen freuen. Staatssekretär Michael Ruhl vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat übergab bei einem gemeinsamen Termin am vergangenen Donnerstag (18. Juli) beim Abwasserverband die Förderbescheide an Bürgermeister Matthias Baaß (Viernheim), Bürgermeister Frank Kohl (Gorxheimertal), die Erste Stadträtin Christine Bender (Heppenheim) und den Ersten Beigeordneten Wolfgang Grün (Birkenau).

 

Der Schutz unseres Wassers ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Daher freue ich mich besonders, dass ich diese Förderbescheide zum Ausbau der Kläranlage Weinheim an vier hessische Kommunen aushändigen darf und das Land Hessen seinen Beitrag leisten kann“, so Staatssekretär Michael Ruhl. „Das ist auch gut für Hessen, denn das hier gereinigte Wasser fließt durch das Hessische Ried und ist damit unsere wichtigste Trinkwasserquelle für Südhessen und das Rhein-Main-Gebiet“, erklärt der Staatssekretär.

 

Verbandsvorsitzender und Oberbürgermeister der Stadt Weinheim, Manuel Just, betont die ökologisch sinnvolle Erweiterung der Kläranlage: „Seit mehreren Jahren beschäftigt sich der Abwasserverband mit dem Bau der 4. Reinigungsstufe und die Investition hat für uns alle eine beträchtliche Größenordnung. Damals gingen wir noch von Kosten in Höhe von 32 Millionen Euro aus. Mittlerweile bewegen wir uns bei 34 Millionen und es kann gut sein, dass am Ende

 

die Ziffer drei von einer vier ersetzt wird.“ Die Maßnahme fördert das Land Baden-Württemberg für die vier baden-württembergischen Gemeinden Weinheim, Hirschberg, Hemsbach und Laudenbach mit 20 Prozent. „Jetzt haben wir für die Investition auch das Land Hessen im Boot“, freut sich Just und richtet seinen Dank an den Staatssekretär. Die Förderung sei eine wichtige Botschaft des Landes Hessen und spiegele somit die Bedeutung des Umweltaspekts wider. Dies mache auch die Tatsache deutlich, dass allein die Fördersumme für Viernheim so hoch sei wie die Gesamtfördersumme des Landes Baden-Württemberg.

 

Substanzen im Abwasser – Eine Herausforderung für die Gewässerqualität

Viele Substanzen werden durch die üblichen drei Reinigungsstufen einer kommunalen Kläranlage sehr gut entfernt. Problematisch sind jedoch die sogenannten Spurenstoffe, die schon in geringen Konzentrationen nachteilig auf die Gewässerqualität wirken können. Dazu gehören Arzneimittel, Biozide, Pflanzenschutzmittel, Wasch- und Reinigungsmittel, Körperpflegeprodukte sowie Baustoffe und Gebrauchsgegenstände. Untersuchungen ergaben, dass die Kläranlage des Abwasserverbandes Bergstraße den Vorfluter mit 50 Prozent dieser Schadstoffe belastet, was die Maßnahme der 4. Reinigungsstufe erforderlich macht.

 

Seit Sommer 2019 setzt sich Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß federführend auch für die weiteren hessischen Gemeinden im Abwasserverband für einen Zuschuss vom Land Hessen ein, schließlich handelt es sich hier auch um hessisches Gewässer, was gereinigt wird, auch wenn die Baumaßnahme auf badischer Gemarkung vorgenommen wird. Ende Juni erhielten die Städte und Gemeinden die Zusage über die finanzielle Förderung, die sich auf 394.510 Euro für die Gemeinde Gorxheimertal, 866.710 Euro für die Gemeinde Birkenau, 51.780 Euro für den Ortsteil Ober-Laudenbach und 3.734.990 Euro für die Stadt Viernheim beläuft.

 

Die Förderung durch das Land Hessen führt zu einer direkten Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, die Abwassergebühren zahlen. „Je nach Gesamtkosten am Ende und Zinsbelastung wird der vom Gebührenzahler zu entrichtende Preis für das Abwasser um ca. 0,40 Euro pro Kubikmeter ansteigen“, erklärt Manuel Just. „Ohne die Förderung durch das Land Hessen würde diese Zahl jedoch höher ausfallen,“ ergänzt Bürgermeister Matthias Baaß. „Somit entsteht ein unmittelbarer Nutzen für alle Bürger und das gleich doppelt: einmal für den Geldbeutel und einmal für die Qualität des Wassers.“ Für ihn habe sich der Zusammenschluss der Kommunen über Ländergrenzen hinweg in Abwasserfragen seit 1973 absolut bewährt: „Die Entscheidung unserer Vorgänger war eine Glanzleistung politischen Handelns, die sich heute noch in Euro und Cent für alle Bürgerinnen und Bürger auszahlt.

 

Umsetzung der vierten Reinigungsstufe

Die vierte Reinigungsstufe soll mit dem „Ulmer Verfahren“ umgesetzt werden, erläutert Hubert Ensinger, Geschäftsführer des Abwasserverbands. Dabei werden Spurenstoffe mittels Pulveraktivkohle absorbiert und durch eine Flockungsfiltration entfernt. „Um Spurenstoffe aus dem vorgereinigten Abwasser zu entfernen, werden diese in einem Kontaktbecken von Aktivkohle absorbiert. Aktivkohle besitzt eine poröse und brüchige Struktur und verfügt somit über eine große Oberfläche. In einem Sedimentationsbecken sinkt die Kohle zu Boden. Das Abwasser wird über eine Tuchfilter-Anlage geleitet, die die restlichen Kohle- und weitere Kleinstpartikel zurückhält. Danach fließt das gereinigte Abwasser in den Vorfluter Weschnitz“, so Ensinger. Die Bauarbeiten beginnen im September dieses Jahres und sollen Mitte 2027 abgeschlossen sein. Der Spatenstich ist für den 1. September geplant.

 

 

Kläranlage des Abwasserverbandes Bergstraße

Bereits in den Jahren 1955 bis 1965 wurden mechanisch-biologische Kläranlagen von den Städten Weinheim, Viernheim und dem Abwasserverband Hemsbach-Laudenbach-Sulzbach errichtet. Umweltschutz wurde in diesem Raum also bereits zu einem Zeitpunkt praktiziert, als in vielen Gemeinden Kläranlagen noch eine Seltenheit waren. Der Schutz des Lebensraumes war und ist eine der wichtigsten Aufgaben der Zeit und für die Zukunft.

 

Ende der sechziger Jahre konnten diese einzelnen Kläranlagen mit dem Bevölkerungszuwachs nicht mehr Schritt halten. Die Vorfluter, die das gereinigte Wasser aufnehmen mussten, waren oftmals stark verschmutzt und es gab zwei Möglichkeiten: Erweiterungen der bestehenden vier Kläranlagen (zwei in Weinheim) oder Neubau einer zentralen Anlage und damit die Bildung eines Abwasserzweckverbandes in einem die Ländergrenzen überschreitenden Raum. So begannen Anfang der siebziger Jahre die ersten interkommunalen Gespräche zur Erarbeitung einer Gesamtkonzeption. Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Gutachten und Betriebsvergleiche führten zu dem Entschluss, eine Großkläranlage zu errichten.

 

Um diese Aufgabe technisch und wirtschaftlich optimal zu lösen, wurde der Abwasserverband Bergstraße vor 50 Jahren, im Juni 1973, gegründet. Da dies eine länderübergreifende Maßnahme betraf, musste ein Staatsvertrag zwischen Hessen und Baden-Württemberg geschlossen werden und im September 1977 wurden die neu gebauten Kanäle, Sonderbauwerke und das Klärwerk im Gewann „Altau“ auf Gemarkung Weinheim in Betrieb genommen. Die damaligen Kosten in Höhe von 106 Millionen DM wurden mit über 50 Prozent von beiden Ländern bezuschusst.

 

Damals war man der Meinung, bis über das Jahr 2000 hinaus eine vorbildliche Konzeption verwirklicht zu haben. Doch Mitte der 80er Jahre führten chemische Unfälle am Rhein und die Verklappung von Schadstoffen in den Weltmeeren zu einer Verschärfung der Wassergesetze in der Bundesrepublik. Durch die Probleme in der Nord- und Ostsee und mit dem Robbensterben im Jahr 1988 wurden die Gesetze weiter gestrafft und die Rechtsprechung forderte zusätzliche Reinigungsstufen zur Entfernung der Phosphor- und Stickstoffverbindungen. Der 2. Ausbau 1991-1993 mit Gesamtkosten von 72 Millionen DM wurde vom Land Baden-Württemberg mit 25,6 Millionen DM und vom Land Hessen mit 14 Millionen DM bezuschusst.

 

Heute ist die Kläranlage des Abwasserverbandes Bergstraße eine der modernsten Großkläranlagen Baden-Württembergs und man ist stolz auf die guten Reinigungsergebnisse. Das anfallende Klärgas wird in drei Blockheizkraftwerken (Gasmotoren) zur Stromerzeugung und Wärmegewinnung genutzt. Durch den zusätzlichen Gasanfall aus der Co-Vergärung übersteigt die produzierte Strommenge den Stromverbrauch von jährlich ca. 3,8 Millionen Kilowattstunden. Unter Berücksichtigung des mittels Photovoltaik (5.000 Quadratmeter) produzierten Stroms wird ein Eigenversorgungsgrad von knapp 160 Prozent erreicht. Das heißt, es werden jährlich rund 2,3 Millionen Kilowattstunden ins öffentliche Netz eingespeist.