Grundregeln des Lebens: Die Zehn Gebote

 

Am Sonntag feiern wir in den Gottesdiensten der evangelischen Kirche den Israelsonntag. Wir bedenken das Verhältnis von Kirche und Judentum und erinnern uns der jüdischen Wurzeln unseres christlichen Glaubens. Viele uns heilige Texte haben wir gemeinsam. Und das ist gut so.

Einer sind die „Zehn Gebote“. Die Menschen, die das 5. Buch Mose (Deuteronomium) geschrieben haben, betonen in Kapitel 4 und 5 die Nähe Gottes. Sie erinnern sich an die Gotteserscheinung am Sinai und verstehen, dass Gott wirklich bei ihnen ist, in all seinen Worten – vor allem in den Worten, die ihr Leben auf einer guten Basis ausrichten sollen. Gottes Nähe zeigt sich durch die Lebensnähe der Zehn Gebote. Zehn Weisungen, die Gott fürs Leben sagt, für unseren Umgang mit anderen, mit uns selbst und mit Gott.

Die Zehn Gebote beginnen mit keinem „Du sollst“, sondern mit einem „Ich bin“. Gott teilt hier den eigenen Namen mit. Es ist der Name, den Mose im brennenden Dornbusch hörte: JHWH, die hebräischen Buchstaben Jod – He – Waw – He. Das kann unterschiedlich übersetzt werden: „Ich bin, der ich bin.“ Oder: „Ich werde sein, die ich sein werde.“ Oder: „Ich bin da.“ Oder: „Ich bin für dich da.“

Am Berg Horeb bekommen die Israelit*innen die Zehn Gebote. Sie beginnen mit Gottes Wort, das sich an jede einzelne Person richtet: „Ich bin dein Gott, der ich dich aus der Sklavenarbeit in Ägypten herausgeführt habe.“ Da kam das Volk nämlich her: Es war vor dem schweren und bedrückenden Sklaven-Leben in Ägypten geflohen. Die Menschen sind auf dem Weg in ein neues Land, wo sie ihr Zusammenleben neu aufbauen werden – und dafür auch Regeln brauchen. Die Zehn Gebote sind Grundregeln, wie das Volk in der kommenden Freiheit miteinander leben soll.

Regeln brauchen wir im zwischenmenschlichen Miteinander. Manche sind aufgeschrieben, andere kennen und lernen wir durchs bloße Zuschauen: Rot an der Fußgängerampel bedeutet… Bevor ich eine Straße überquere, blicke ich… Zur Begrüßung gebe ich…

Regeln sind notwendig, damit ein geregeltes Miteinander möglich wird. Damit wir wissen: Was gilt hier, was darf ich und was nicht? Wie ist der Spielraum, in dem ich mich bewegen kann?

Für mich sind die Zehn Gebote so etwas wie Warnschilder, STOPP-Schilder; Schilder, die eine Grenze markieren. Einander möglichst viel Freiheit lassen – stoppen, wo wir anderen schaden – und Gott im Blick behalten. Das ist für mich der Grundgedanke der Zehn Gebote – und kann doch auch ein guter Gedanke für unser Zusammenleben sein – in der Stadt, im Urlaub, in der Familie, im Beruf.

 

Pfarrerin Dr. Irene Dannemann, Evangelische Christuskirchengemeinde