Warten an der Hotelrezeption: Nach fast zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie fehlt es in vielen Hotels und Pensionen an Personal. Nach Ansicht der Gewerkschaft NGG müssen sich die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern, um dringend gesuchte Fachleute zu finden.
Foto: NGG | Alireza Khalili

Darmstadt/Bergstraße (NGG) – Hotellerie am Limit: Zu Beginn der Hauptreisezeit fehlt in vielen Hotels und Pensionen im Kreis Bergstraße das nötige Personal. „Rezeptionistinnen, Köche, Barkeeper, Service- und Reinigungskräfte werden händeringend gesucht. Ohne sie kann die Branche in der wichtigsten Saison des Jahres nicht durchstarten“, sagt Guido Noll von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die NGG verweist auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Danach zählte das Beherbergungsgewerbe im Landkreis Bergstraße Ende Juni 22 offene Stellen – 38 Prozent mehr als vor genau einem Jahr.
„Für viele Hoteliers ist es aktuell einfacher, Gäste zu finden als Mitarbeiter. Denn in der Folge von Lockdowns und Kurzarbeit haben etliche Beschäftigte ihre Branche verlassen. Es kommt jetzt darauf an, Fachleute mit guten Konditionen zu locken, um für die steigende Nachfrage nach Urlaubs- und Geschäftsreisen gewappnet zu sein“, so NGG-Geschäftsführer Noll. Ein entscheidender Punkt sei die Bezahlung. Hier habe sich bereits einiges getan: Mit dem neuen Tarifvertrag, den die Gewerkschaft mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ausgehandelt hat, steigen die Einkommen in Hessen in diesem und nächstem Jahr um insgesamt 15 Prozent. Eine Köchin mit zwei Jahren Berufserfahrung kommt nun auf einen Stundenlohn von 15,97 Euro, ein Schichtleiter im Empfang auf 17,84 Euro.
Doch auch bei den Arbeitsbedingungen müssten die Firmen nachlegen, um sich im Wettbewerb um dringend gesuchtes Personal behaupten zu können. „Hotelangestellte arbeiten oft dann, wenn andere frei haben – nachts, am Wochenende oder an Feiertagen. Das geht zulasten von Familie und Freizeit. Es ist wichtig, Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten zu organisieren“, macht Noll deutlich. Flexibilität dürfe keine Einbahnstraße nur für Unternehmer sein und müsse honoriert werden.
Der Gewerkschafter ruft die Arbeitgeber dazu auf, sich gemeinsam auf fortschrittliche Arbeitszeitmodelle zu verständigen. In den anstehenden Verhandlungen über Änderungen im Manteltarifvertrag für das hessische Gastgewerbe fordert die NGG zudem Verbesserungen beim Urlaubsanspruch und bei den Zuschlägen etwa an Feiertagen. Auch die Einführung eines Sonntagszuschlages dürfe im Kampf um Fachkräfte kein Tabu mehr sein.
Für die Hotelbranche im Kreis Bergstraße rechnet Noll mit einer hohen Auslastung für die kommenden Monate: „Nach fast zweieinhalb Jahren Corona machen viele Menschen zum ersten Mal wieder richtig Urlaub. Der Tourismus im eigenen Land steht dabei hoch im Kurs. Hinzu kommen die Geschäftsreisenden. Und auch manche verschobene Geburtstags- oder Hochzeitsfeier wird nachgeholt.“ Damit die Pläne der Gäste nicht an fehlenden Rezeptionisten und Köchinnen scheiterten, müsse die Branche für die Beschäftigten attraktiver werden, ist Noll überzeugt. Das gelinge nur, indem sich Löhne und Arbeitsbedingungen verbesserten.

„Zwar ist klar, dass damit gerade für kleinere Betriebe die Personalkosten steigen“, räumt der Gewerkschafter ein. Aber anders seien keine Menschen mehr für den Job im Gastgewerbe zu gewinnen. Es komme darauf an, dass jetzt auch die Kunden Verständnis zeigten. „Für ein sauberes Hotelzimmer und einen guten Service sollte man bereit sein, etwas mehr auszugeben. Das gilt auch im Restaurant. Ein Schnitzel für neun Euro ist heute nicht mehr machbar“, so Noll.
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